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che questo è stato

Karfreitag, 18. April, 17 Uhr

Ausführende:

Friedemann Werzlau - Vibraphon solo, Helmut Zapf- Klangregie.

„che questo è stato“ für Vibrafon und Zuspiel-CD

Vor den Toren Würzburgs liegt der alte Höchberger Judenfriedhof. 1822 geweiht, wurde er bis 1939 belegt und zählt rund 400 Gräber. Vor etwa 100 Jahren war jeder fünfte im Dorf Mitglied der jüdischen Gemeinde. Seit der gewaltsamen Auslöschung jüdischen Gemeindelebens durch die Nazis im Jahre 1939 liegt der Friedhof verlassen da. Etliche Steine tragen die Spuren roher Gewaltanwendung, und was Menschenhand nicht tat, erledigt nun die Witterung. Vielfach kaum noch zu entziffern, künden die Inschriften von Frömmigkeit und Trauer. Zerbröckelnd halten sie Erinnerungen fest an Mitbürger jüdischen Glaubens.

...hebt an zu klagen und legt Sackzeug an...

...Stimme des Weinens ertönt bitter... ...Unglück über Unglück...

...abgebrochen ist die Freude unserer Herzen,
Frohsinn wurde zur Trauer, erloschen ist der reine Leuchter...

...Frömmigkeit... ...Wahrheit und Frieden liebte er
in Redlichkeit...

Ich habe mir vor zwei Jahren die hebräischen Inschriften von jugendlichen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Würzburg laut vorlesen lassen und die Tonaufnahmen wieder und wieder angehört, bis ich das phonetische Protokoll in Töne umwandeln konnte. Eingebettet in ein kunstvolles Tonsystem und geordnet nach Inhalten erklingen nunmehr einige der besonders „sprechenden“ Texte im Vibraphon.

Der Solist musiziert zu einer CD, für welche ich vor Ort meine Aufnahmen sammelte: Das Meer vor der Küste Israels, russische Immigranten mit ihrem Bajan als Straßenmusiker in Israel, spielende Kinder in einem Park nahe der Grenze zur Westbank, und vor allem Klänge aus Jerusalem. Diese Bilder fügte ich zu einer „Soundscape“ zusammen, die neben einem Porträt des Israel von heute auch Erinnerungen an den Holocaust weckt: Klänge aus Yad Vashem, Rundfunkaufnahmen des Deutschen Reichssenders und vor allem immer wieder Eisenbahnzüge. Originalaufnahmen von Militärmusik und Judenhetze aus dem „Dritten Reich“ runden das Klanggeschehen ab. Die Höchberger Texte gehören in eine Geschichte, die längst nicht zu Ende ist.

„...mazewot nishbbarot...“ sagt Yehuda Amichai, einer der größten Dichter Israels mit Weltgeltung, 1924 in Würzburg geboren, 1935 emigriert. Und:„...hat(e)filot nishbarot la’ad...“ Seine Texte, von ihm selbst gelesen, tauchen aus der Brandung des Meeres auf, im Norden Israels aufgenommen - wie Inseln im Meer des Vergessens.

...Grabsteine zerbrechen... ...Worte zerbrechen...

...Worte vergehen... ...die Gebete bleiben ewig...

Die „Soundscape“ enthält vielfältige Gebetsklänge aus Jerusalem und das „Shma Yisrael“, gesungen in einer deutschen Synagoge vor der „Reichskristallnacht“. Auch meine Musik ist ein Gebet: ein Gebet aus heutiger Zeit. Es hält Erinnerungen fest: Erinnerungen an die alten Höchberger, die dem Dorf den Stempel intensiv gelebter Geistigkeit aufgedrückt haben; Erinnerungen an den Holocaust; Erinnerungen an die verwirrenden Hörbilder des heutigen Israel. Ich gab meiner Musik einen Titel, den ich aus einem Gedicht von Primo Levi übernahm, welches der Überlebende von Auschwitz 1946 schrieb und seinem Bericht des Grauens voranstellte: „...Meditate che questo è stato...“

...Denkt, daß dieses gewesen...

...diese Worte gebiete ich euch...

...sprecht sie wieder und wieder zu euren Söhnen...

Klaus Hinrich Stahmer

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